Link

Lerntage mit Ernst, Paul und Willy

Tag 1, Samstag, 26. April 2025

Ernst Hanke beantwortet Fragen von uns Schülerinnen und Schüler der freien Gruppe «Lerne Steindruck». Notizen von Yvonne Camenzind, überarbeitet und ergänzt von Willy Etter.

Fragen und Ausführungen zum Lithostein

Was kostet ein Lithostein, worauf schaut man?
«Ein neuer Kalkstein kostet je nach Grösse 2000–3000 Euro. Allerdings gibt es aktuell viele sich auflösende Ateliers, wo man gebrauchte Steine günstig übernehmen kann. Die grau/blauen Steine sind härter und dichter, sie liefern bessere Druckergebnisse als die gelblichen Steine, die eher weich und poröser sind. Es gibt auch Steine, die nur 2–3 cm grauer Qualitätsstein auf gelblichem Unterstein geklebt haben. Grundsätzlich ist der Drucker / die Druckerin wichtiger als der Stein, unter Umständen kommt es auch auf den Verwendungszweck an.
Der Stein muss eine gewisse Dicke haben, damit die Spannung im Druck den Stein nicht bricht. Diese Gefahr ist bei einer Handpresse höher (Reiber übt punktuell Druck aus) als bei der «Johanna» wo der Zylinder über den Stein rollt.»

Lithostein schleifen
«Beim Schleifen nimmt man zwei Lithosteine (Solnhofener Kalkstein), die in etwa gleich gross sind. So hat man einen Ober- und einen Unterstein. Das Ziel beim Schleifen ist es, die Lithosteine plan zu machen, also ihre Oberfläche vollkommen eben und glatt zu gestalten.
Nachdem man beide Steine nass gemacht hat, nimmt man mehrere vorbereitete Konfigläser mit Sand unterschiedlicher Feinheitsgrade die mit einem löchrigen Deckel versehen sind.
Man schleift mit etwas 80er Sand und verfeinert mit 120er Sand. Es entsteht Steinmehl, da von beiden Steinen etwas abgetragen wird. Die verschiedenen Sandfeingrade erhält man bei Gestaeker oder Boesner. Im Atelier Weiss- und Schwarzkunst sind sie vorhanden.
Am Besten denkt man nicht beim Steinschleifen, so wird der Stein am gleichmässigsten. Man rutscht ungefähr 1/3 mit dem Oberstein über den Unterstein, nicht mehr, damit man nicht über den Unterstein hinauskippt. Es muss alles alte Fett weggeschliffen werden bis Schleifmehl entsteht, dann hat man zwei geschliffene Steine. Mit dem 150er Sand wird die Fläche noch feiner und mit dem 180er schleift man ihn fertig. Selbstverständlich kann die Körnung auch ein Gestaltungselement der Lithografie sein.
Die Steine werden mit der Hand, dem Schwamm und / oder einer Rosshaarbürste sehr sauber abgewaschen. Wenn noch Sand oder Schmutz auf dem Stein ist, wird ein Teil der folgenden Zeichnung beim Ätzprozess später weggewaschen, was durchaus für Ärger führen kann. Falls jetzt noch eine alte Fettzeichnung sichtbar ist, muss weitergeschliffen werden.
Zum Schluss wird der Stein mit dem Föhn getrocknet. Siehe Video 1 und Video 2.
Tipp: Da ein Halbton (wie in der Fotografie) mit der Lithografie nicht möglich ist, kann man mit der Kornstärke spielen. Das heisst: Wird die spätere Zeichnung sehr kontrastreich, bringt man mit einem gröberen Korn ein schöneres, tieferes Schwarz heraus. Ein sehr feines Korn (200er) fällt zu schnell zusammen.»
Gedanken zum Steinschleifen_WillyEtter

Womit zeichnet man auf den Stein?
«Es kann mit fetthaltiger Kreide oder mit Lithografie-Tusche auf den Stein gezeichnet werden. Es muss etwas sein, was sich im Stein festhalten kann. Man kann auch mit Tafelbutter zeichnen, man muss es ausprobieren. Achtung, wenn man zeichnet ein Blatt Papier unter die Hand nehmen, damit das Handfett nicht die Zeichnung zerstört. Denkt auch daran, dass unser Speichel vor dem Essen säurehaltig ist und nicht auf den Stein kommen sollte.
Tipp: Wenn man die Kreide in eine Schachtel spitzt, kann man die Bröseln mit etwas Wasser aufkochen und damit Tusche herstellen.»

Mit der Ätzung und der Gummierung den Stein für den Druck parat machen
«Grundsatz: Die erste Ätzung ist die Wichtigste. Klar kann man später noch stärker oder schwächer ätzen, doch die Wirkung ist nicht mehr so stark.
– Talkum erhöht die Widerstandskraft der Zeichnung gegen die Ätzung,
– Die Zeichnung mit Terpentinöl auswaschen. Evtl. ist das Terpentinöl zu fettig (es gibt verschiedene), dann nimmt man eher Terpentin-Ersatz,
– Der Stein wird mit Gummi Arabikum-Salpetersäure-Mix behandelt, damit er überall wo keine Zeichnung ist Wasser aufnimmt und keine Farbe (kein Fett). Hier geht es also um den Stein. Die zuvor mit dem Druckmotiv versiegelten Stellen des Steins verhindern hier das Eindringen des Wassers,
– Es folgt ein dünner Film reines Gummi Arabikum,
– Der Stein wird mit dem Föhn getrocknet,
Der Prozess ist erst abgeschlossen, wenn der Stein trocken ist.»
Tipp: Wenn der Stein im Druck lange viel Wasser hat, wir die Zeichnung schmäler, wenn der Stein im Druck lange wenige Wasser hat, wird die Zeichnung breiter.

Wie behandelt man den Stein nach dem Druck?
«Grundsätzlich kann die Zeichnung direkt abgeschliffen werden. Wenn man sie noch auf dem Stein lassen will, ist es besonders wichtig, dass man den Stein entfettet. Sonst kann das Fett bis 1 mm in den Stein eindringen. Einen solchen Stein benötigt für eine neue Zeichnung eine Schleifzeit von 1–2 Stunden!»

Fragen und Ausführungen zur «Johanna»

Wir beachten das kleine weisse Papierschnitzel mit der Aufschrift «Matthieu»
«Im Matthieu-Verlag in Zürich kam einmal das TV vorbei. Als wir am Morgen zur Arbeit kamen, war alles in der Druckerei mit «Matthieu»-Papierkleberchen gelabelt. Wir benötigten danach einige Zeit, alle wieder abzukratzen. Nur das hier an der «Johanna» ist kleben geblieben.»
– Wusk: Bitte als historischer Hinweis klebenlassen!

Einschalten der Steindruckschnellpresse Johannisberg 1911 genannt «Johanna»
«Der Antriebsmotor wird mit dem grünen Knopf in der Mitte vorwärts eingeschaltet. Die Maschine läuft jetzt. Der Motor dreht immer in die gleiche Richtung.

Feuchttisch und Co.
«Unter dem Feuchttisch ist der Wasserkännel, den habe ich jedoch nur bei sehr hohen Auflagen benutzt. Früher, als man ihn noch nutzte, wurde etwas Bier ins Wasser gegeben, damit die Spannung vom Wasser wich.»

Farbwalzen, Antrieb
«Ein Wechselspiel von grossen und kleinen Zahnrädern werden vom Antriebmotor bewegt. Alle Walzen, also Farb- und Feuchtwalzen, die auf dem Druckwagen laufen, müssen ihre Drehrichtung ständig ändern, weil der Druckwagen ja hin und her geht. Deshalb werden diese Walzen von einer Zahnstange, die auf dem Druckwagen angebracht ist angetrieben.
Die Farbwalzen können aus dem Farbkasten gespiesen werden oder die Farbe wird direkt mit dem Spachtel auf die Walzen aufgetragen.
Die Johannisberg 1911 hat einen Doppelgang, eingeschaltet färben die Walzen zweimal ein und der Zylinder fährt nur jedes 2. Mal durch.
Tipp: Bei heller Farbe, wie z.B. Gelb, immer einen Farbbalken auf dem Stein zeichnen und mitdrucken, damit immer etwas Farbe von den Walzen genommen wird. Wenn die Zeichnung fein ist und nur wenig Farbe von Blatt zu Blatt benötigt wird, verschmutzt die Farbe auf der Farbwalze und man müsste deshalb ständig die Farbwalzen abwaschen und die Farbe neu auftragen.»

Öllager, regelmässig kontrollieren!
Willy Etter: «Über dem Bogenzähler, zwischen den beiden grossen Muttern, ist das Zylinderlager. Wenn man den Deckel abmacht, kommt eine Baumwollschnur zum Vorschein. An dieser zieht man, bis der daran befestigte Draht hervorkommt.
Der Draht im Zylinderlager ist dazu da, den Docht durch das Ölloch bis auf die Zylinderachse zu bringen. Der Docht ist das Transportgerät, das Öl vom Ölbehälter durch das Ölloch zum Lager bringt. Hätte der Ölbehälter nur ein Loch in der Mitte, so würde alles Öl durch das Lager abfliessen und auf den Boden tropfen. Im Ölbehälter ist ein Standrohr am Ausfluss angebracht, das verhindert, dass das Öl abfliesst. Damit nun Öl in das Standrohr gelangen kann, ist der Docht vorhanden.
Nach dem Öleinfüllen muss besonders darauf geachtet werden, dass die Zylinderachse nicht mit dem Draht berührt wird, weil sie damit zerkratzt würde!
Zum Öl: Für die Schnellpresse braucht es ein dickes, tragfähiges Maschinenöl. Für offene Zahnräder ist ein haftendes Schmiermittel gut, ein Kettenöl oder Fett. Die Kunst des Ölens ist die richtige Menge zu geben, damit es nicht tropft, aber auch nicht quietscht oder warm läuft.»

Wie stellt man die Höhe des Lithosteines ein?
«Mittels Metallstange und Höhenlehre (in Ernst’s Hand) kann eine erste Höhe festgestellt werden. Alle vier Steinecken können separat eingestellt werden. Erst hängt man die Klinken ein, womit man wählt, welche Ecke verstellt werden soll. Die Höhe stimmt, wenn beim Moment des Zusammentreffens des Zylinders und des Lithosteines das schwarze quaderförmige Gegengewicht zum wackeln bringt.» Siehe Video.

Mit welchem Papier werden wir drucken?
«Es kann normales Offsetpapier sein, wichtig ist, dass das Papier Schmalband ist. Also die Laufrichtung parallel zur Zylinderachse.»

 

Vorwort

Ernst stand schon mitten im Lithografieatelier der HSLU Kunst & Design, als die letzte Schülerin bei uns ankam und erzählte von seinem Beruf. Wussten Sie, dass es in der grafischen Branche noch dreissig Berufe gegeben hat, als Ernst in die Lehre ging und dass die Künstler:innen dem Lithografen ihre Zeichnung übergaben, damit er sie «professionell» auf den Stein übertrug? Man druckte nie direkt ab dem Originalstein, sondern erstellte für den Druck mit der Umdruckpresse (Konterpresse) immer eine Kopie. Allerdings wurden nicht in erster Linie Kunstdrucke gemacht, denn es war eine Industrie, wo man in direkter Konkurrenz mit dem Tiefdruck war, und man schauen musste, zu den Druckaufträgen zu kommen. Später, als die Künstler ihre Steine selbst zeichneten, verstanden die Verlagsleiter oft nicht, dass sie auf die Drucker:innen fixiert waren und nicht auf die Druckerei. Denn wie Paul Burkart ergänzte, sieht man einer Lithografie an, wer sie gedruckt hat.
Ernst zeigte uns einige der Lithografien, die er mit bekannten Künstler:innen erarbeitet hat. Die Wahl hatte weder der oder die Kunstschaffende noch er der Lithograf. Es waren der Verlag, der sie zusammenbrachte und die Vorgaben stellte. Ernst teilte mit uns einige seiner Erinnerungen an solche Paarungen. Der eine Künstler bekochte sie jeweils am Abend, das genossen er und Erika sehr, denn oft gab es mittags einfach ein Brötchen, welches Erika früh morgens parat gemacht hatte. Eine Künstlerin wollte einmal unbedingt mit genau 5 Farben ihre Lithografie fertigen. Das Bild wurde schlecht. Sie hatte sich damit viel zuviel Druck aufgesetzt, sodass das Bild misslang. Erst als Ernst ihr sagte, wir machen so viele Farben, bis es für sie stimmt, funktionierte es. Am Schluss hatten sie 7 Farben und die Künstlerin war glücklich. Mit Schang Hutter war es ratsam, wenn er bis am Abend seine Arbeit abschliessen konnte. Wenn dies nicht der Fall war, schaute er die Lithografie morgens kritisch an, und feilte daran einen weiteren Tag. Vielen Dank Ernst, dass du uns an deinen Erlebnissen teilhaben lässt.

Ausbildung zum Lithografen, zur Lithografin: Tamarind Institute, USA, siehe auch im Instagram.